zurück

26.11.2017 - Unterwegs

Zwangsläufig und der Geselligkeit wegen passiert es häufig, dass sich die Terrier-WG zum gemeinsamen Spaziergang in das nächste Naherholungsgebiet begibt, um in aller Ruhe die Seele baumeln zu lassen. Denn was gibt es Schöneres, als sich am Sonntagnachmittag bei strahlendem Sonnenschein in den Wald zu begeben und sich an den fünf Terriertieren zu erfreuen, die fröhlich und entspannt ihren Instinkten nachgehen und einfach mal Hund sein dürfen?

Nichts? Hach, der naive Retriever-Einzelhunde-Halter sieht das Paradies vor Augen und mir fällt da spontan eine Wurzelbehandlung ein oder ein Ganzkörperwaxing oder der Frühjahrsputz in einem Tiermessiehaushalt…

Mit fünf niedlichen kleinen weißen Hunden durch einen überfüllten Wald zu spazieren gleicht einem Spießrutenlauf. Schließlich gibt es da auch noch andere Lebewesen, die ebenfalls von dem Recht gebrauch machen, die Natur zu genießen und die Kalorien vom mittäglichen Sonntagsbraten abzulaufen. Das an sich wäre ja kein Problem, denn ob man es glaubt oder nicht, die fünf Terrier funktionieren im Wald eigentlich ganz gut, dürfen die meiste Zeit ohne Leine laufen und kommen tatsächlich immer brav angelaufen, wenn man sie ruft. Prinzipiell sollte das für einen gemütlichen Spaziergang reichen, wenn da nicht die eigene, leicht misanthropische Grundeinstellung wäre oder die anderen Individuen, die sich ebenfalls, meist unangeleint, in der freien Wildbahn bewegen.

Wir unterteilen diese Individuen in verschiedene Kategorien, die unterschiedliche Maßnahmen unsererseits verlangen. Da gibt es den „Mit-Ohne-Typ“, der sich in der Regel alleine oder in kleinen Gruppen fortbewegt, sportliche Aktivitäten vermeidet und einfach nur den Wald genießen möchte. Für uns bedeutet das zunächst mal Entwarnung. Es ist kein Hund dabei und keine sportliche Ambition. Demnach muss das Fünfergespann nur herangerufen werden. Bei sportlicher Ambition werden die Fünf zusätzlich noch am Rand abgesetzt, schließlich können wir nicht erwarten, dass der Jogger am Rand läuft oder ein bereifter Mitwaldnutzer rechtzeitig klingelt. Ein Anleinen ist nicht nötig, der rote Autist muss aber im Auge behalten werden. Schließlich könnte unser Gegenüber auf die absurde Idee kommen, uns zu grüßen und das könnte den roten Teufel an guten Tagen nur kurz erschrecken, an schlechten Tagen aber zur absoluten Hysterie führen. Ganz nach dem Motto „Wie, ich bin nicht alleine auf dieser Welt?“. Der Halbstarke muss allerdings auch gesondert beachtet werden, schließlich liebt der heranwachsende Mini-Terrier alles und jeden (igitt, wie konnte das passieren?) und nicht jeder Entgegenkommende steht auf den Jack-Wolfskin-Look auf der fein gebügelten Sonntagshose. Nach einer ca. 15 minütigen Konversation, in der wir nur kurz die Verwandtschaftsverhältnisse erklären müssen, wahrheitsgemäße Alters- und Rasseangaben machen, verneinen, dass wir eine Tierschutzorganisation sind, versichern, dass wir tatsächlich alle Fünfe selbst behalten möchten, den roten Autisten mit Keksen ablenken, nett lächeln und uns herzlich für die Komplimente bedanken, kann es auch schon weiter gehen. Die Terrier werden wieder in den Freilauf entlassen und verteilen sich in alle Himmelsrichtungen. Allerdings nur solange, bis wir um die nächste Ecke biegen und den „Mit-aber-an-der-Leine-Typ“ entdecken. Der „Mit-aber-an-der-Leine-Typ“ versetzt uns in mittelhohe Alarmbereitschaft. Er führt in der Regel einen angeleinten Hund mit sich. Das alleine ist schon Grund genug, um selbst zu diesem Typ zu mutieren und alle Hunde ebenfalls an die Leine zu nehmen. Das ist freundlich, das zeugt von Respekt, das ist der reine Selbstschutz. Leider ist noch nicht geklärt, ob der „Mit-aber-an-der-Leine-Typ“ trotzdem Hundekontakt wünscht oder nicht. Im letzten Fall muss nur die kleine Hysteriebohne unter Kontrolle gebracht werden, die gerne mal grundlos los schreit, wenn sie Artgenossen begegnet. Schließlich weiß man nie, ob man nicht doch gefressen wird. Wir grüßen freundlich und können ungehindert passieren. Glück gehabt!

Im ersten Fall jedoch müssten immerhin vier von fünf von ihrer Tötungsabsicht  abgebracht werden, da die Terrierfraktion schon zur leichten Eskalation neigt, wenn man an der Leine einfach so eine Hundenase in den Hintern gesteckt bekommt. Nummer fünf hingegen darf nicht das Klischee vom unsozialen Terrier entkräften und wird ebenfalls aus der Schussbahn genommen. Schließlich haben wir auch einen Erziehungsauftrag unseren Mitmenschen gegenüber. Immerhin sind wir mittlerweile ganz gut in der Formelberechnung Leinenlänge + Halslänge + Armlänge und nur die gemeinen Flexileinennutzer, die in letzter Sekunde doch das Knöpfchen loslassen, bringen uns gelegentlich in leichten Stress. Zum Glück fällt hier das freundliche Grüßen aus, denn irgendwann ist schließlich Schluss. 

Wir setzen unsere Runde im Wald fort, schließlich ist das Wetter so schön.

Das findet leider auch der „Mit-und-ohne-Leine-Typ“, der von uns alles abverlangt. Wird ein solches Subjekt gesichtet, gilt es erst einmal so schnell wie möglich den roten Asozialen und die kleine Hysteriebohne heranzurufen und zu sichern. Dann müssen wir mit fachmännischem Blick beurteilen, ob das Gegenüber einen netten unangeleinten Hund mit sich führt (der Rest darf frei bleiben, wir grüßen freundlich und gehen zügig vorbei) oder einen für unsere Hunde nicht so netten Vertreter mit sich führt. In der Regel sind das halbstarke „Tut-Nixe“, die tatsächlich nur spielen wollen, aber den Ernst der Lage einfach nicht begreifen oder solche, die sich langsam auf dem Boden kriechend und fixierend nähern, um dann zwei Meter vor uns einen Scheinangriff zu starten, da sie selbst eher unsicher sind und versuchen, das lautstark zu überspielen. In diesen Fällen rufen wir alle weiteren Terroristen zügig heran, leinen an und bitten unser menschliches Gegenüber, dies ebenfalls zu tun. Hin und wieder klappt das gut, der fremde Hund ist abrufbar, wird ebenfalls angeleint und wir bedanken uns beim Vorbeigehen. Meistens jedoch wird schon von weitem gerufen, dass der mitgeführte Canide überhaupt nichts tue und nur kurz Hallo sagen möchte und jetzt sowieso nicht mehr zurück kommen würde. In diesem Fall schalten wir in den Notfallmodus, versuchen noch einmal mit Nachdruck zum Anleinen zu bewegen, gehen dann aber sehr schnell in den Abwehrmechanismus über und versuchen alles, um eine Konfrontation zu verhindern. Leider eskaliert meistens die Hysteriebohne sofort, weil der rote Asi und der Altmeister schon vor fünf Metern ganz steif geworden sind und einen auf lautlose Killer machen. Der Halbstarke versteht die Aufregung nicht und findet alles suuuuper, während der Lishbär nur latent genervt von der eigenen Verwandtschaft ist und gerne da hinten an dem Mauseloch weiter gebuddelt hätte.

Wir müssen uns derweil über das hysterische Geschreie der Hysteriebohne und dem Geknurre der beinhebenden Rüdenfraktion hinweg anhören, dass die Terrier nur so sind, weil sie keine Sozialkontakte genießen dürfen und niemals von der Leine kämen und wir uns mal über artgerechte Tierhaltung Gedanken machen sollten. Manchmal werden wir auch nur belächelt, weil die kleinen Rassen eben so sind und immer zur Hektik neigen. Hin und wieder fällt uns ein guter Konter ein und wir können ruhig und bestimmt etwas Kluges zum Besten geben, das die Situation und ihre zukünftige Vermeidung erklären könnte. Hin und wieder jedoch endet eine solche Szene in mehr oder weniger subtilen Beleidigungen von beiden Seiten und jeder regt sich über den anderen auf. Was ein herrlicher Tag!

Während wir uns auf den Heimweg machen wird noch schnell gegoogelt, wann die nächste Regenperiode einsetzt und wie viel eigentlich so ein Labradorwelpe heutzutage kostet. Eigentlich sind die ja ganz hübsch. Also die braunen…

Denn bei Regen geht auf einmal nur derjenige vor die Tür, der sich bei Wind und Wetter gerne mit seinem Hund beschäftigt und die Grundregeln des Anstandes kennt oder misanthropisch ohne Hund unterwegs ist, weil er Sport treibt oder einfach nur von A nach B möchte.

Wie langweilig!

2 Kommentare

Reinhard

schrieb am 27.11.2017 - 12:25:20:

Köstlich....

Carola

schrieb am 26.11.2017 - 19:44:55:

Super, besser kann man das nicht beschreiben.
Leave this field empty



Mit dem Absenden des Kontaktformulars erkläre ich mich damit einverstanden, dass meine Daten zur Bearbeitung meiner Anfrage elektronisch erhoben und gespeichert werden.