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12.08.2014 - Peinlich, peinlich...

Für Nicht-Hundehalter ist es immer wieder unbegreiflich, wie man sich auf dem Agilityplatz oder beim Choreo-Trick-Clickern vor seinem Hund und den Mitstreitern so gnadenlos zum Affen machen kann. Die Peinlichkeitsschwelle mancher Hundehalter scheint ins Bodenlose gesunken zu sein. Aber keine Sorge, liebe Nicht-Hundehalter, das ist alles eine Sache der Übung und eines könnt ihr mir glauben: Das kann man lernen!

Wenn man 16 Jahre alt ist, in der postpubertären Phase seines Lebens steckt und einen Vater wie meinen hat, ist einem grundsätzlich zunächst alles peinlich. Mein Vater hat es nämlich immer sehr genossen zu den ungünstigsten Zeitpunkten die unmöglichsten Dinge zu tun oder zu sagen und ich durfte dann stets zusehen, wo sich das sprichwörtliche Loch im Boden für mich aufgetan hat.

Als Teenager hat man dann zwei Möglichkeiten: Entweder man hält sich in dieser Zeit konsequent von seiner Familie fern und vermeidet jeden gemeinsamen Auftritt in der Öffentlichkeit oder aber man schafft sich einen Hund an und wird feststellen, dass das noch gar nichts war…

Mit Hund wird man gnadenlos abgehärtet gegenüber den Peinlichkeiten des Lebens und heute - neun Jahre und zwei Terrier später - kann ich voller Stolz und sehr zum Leidwesen meiner Eltern, Mitstudenten und meiner Vereinskollegen sagen:

MIR ist gar nichts mehr peinlich!

Die Welpenstunde mit Einstein sollte meine erste Bewährungsprobe werden und sich als cooler Teenie wegrennend „zum Affen zu machen“, um vielleicht doch hin und wieder die Aufmerksamkeit des geliebten Hundekindes zu erregen, war zunächst nicht wirklich leicht für mich. In den Genuss mit hoher Quietsch-Stimme zu loben, wenn tatsächlich doch mal etwas geklappt hat, kam ich zu meinem Glück nicht wirklich oft, sodass ich mir zumindestens in unserer Anfangszeit etwas Würde bewahren konnte.

Das änderte sich jedoch spätestens beim Prägespaziergang auf die Wasserkuppe (der Welpe muss schließlich die Welt entdecken!), als Einstein mir am Rollfeld mit zwölf Wochen, aber gefühlten 23 Kilogramm, die Leine aus der Hand „riss“, um erst dem startenden Segelflugzeug hinterherzujagen und anschließend in aller Ruhe sämtliche Hunde auf dem Gelände zu begrüßen. Natürlich rannte ich volle fünzehn Minuten in nackter Panik und mit irrem Blick hinter meinem Ausreißer her und begeisterte die übrigen Besucher so mit Einsteins und meiner Version von „Fang mich doch, du Eierloch!“. Als ich mit hochrotem Kopf und glücklichem Terrierbaby auf dem Arm zu meiner Familie zurück kam, lachte mein Vater natürlich am lautesten.

Einstein musste gerade in seiner Junghundzeit natürlich überall dabei sein. Schließlich sollte er alles kennenlernen, sich an alles gewöhnen und der perfekte Alltagshund werden! Leider sah er das ein bisschen anders und schaffte es beim Einkaufsbummel mit meinen Freunden, die gesamte Wiesbadener Innenstadt vor Aufregung voll zu kacken. Drei Kotbeutel hatte ich als verantwortungsvolle Hundehalterin in weiser Voraussicht dabei, sechs hätte ich gebraucht…

Immer öfter gingen meine Freunde nun also „schon mal vor“ und allmählich gewöhnte ich mich daran, den Blicken zahlreicher pikierter Nicht-Hundehaltern ausgesetzt zu sein und lernte die mitleidsvollen Gesten der Hundehalter zu lieben, die einem ein Taschentuch reichten oder den Hund hielten, während man die Fußgängerzone putzte. Doch auch deren Verständnis endete spätestens dann, wenn Einstein im stillen Lesebereich der voll besetzten Buchhandlung, im überfüllten Bus oder im Wartebereich der Tierarztpraxis seinen Hass auf alle vierbeinigen Kollegen lautstark ausleben musste. Aber ich wurde immer weniger rot, überlegte mir keine Entschuldigungen mehr im Vorhinein und erfreute mich beinahe schon an der ungewollten Aufmerksamkeit. Und auch der Drang meines Machos mit einem Jahr alles (und jeden) anzupinkeln, härtete mich nur weiter ab und ohne Entschuldigungspiccolo in der Jackentasche ging ich in der Zeit nur selten auf den Hundeplatz.

Spätestens als Einstein auf meinem 18. Geburtstag einen asiatischen Freund von mir biss, weil der so „anders“ aussah und ich vor versammeltem Freundeskreis leicht angetrunken einen frei erfundenen Vortrag über Rassismus bei Hunden zum besten gab, war klar: Was schlimmeres konnte nicht mehr passieren! Und ich behielt Recht. Einstein wurde älter, ich lernte, besser mit ihm umzugehen und alles war in bester Ordnung. Unvorbereitete Referate in Schule und Uni, Karaokevorträge in vollbesetzten Bars oder frei erfundene Büttenreden auf Faschingsveranstaltungen – nichts konnte mich mehr schocken, ich war überall ganz vorne mit dabei.

Und dann kam Uno!

Keine Sorge, es ging jetzt nicht alles wieder von vorne los - ich war immerhin sieben Jahre älter und einen Einstein an Erfahrung reicher - aber trotzdem gelang es diesem kleinen Chaoten hin und wieder, das obere Ende meiner Peinlichkeitsskala zumindestens anzukratzen.

So schaffte er es tatsächlich, in seiner ersten Welpenstunde im zarten Alter von zehn Wochen, einen Cane Corso Welpen niederzustrecken und so heftig zu mobben, dass wir beide ziemlich schnell zu Aussätzigen in unserem Verein wurden und alle Welpenbesitzer erleichtert aufatmeten, als ich ihn mit in meine eigene Junghundestunde nahm. Auch hier enttäuschte Uno mich nicht und benahm sich so, wie es sich für den Hund der Übungsleiterin gehörte. Ich bestellte meine Gruppenteilnehmer samt Hunde zum Hauptbahnhof, um die Alltagstauglichkeit der Hunde und ihrer Halter weiter zu festigen. In der Stunde davor predigte ich noch einmal eindringlich, dass ein Hund vor dem Stadtgang ordentlich gelöst gehört, da die Aufregung sonst zu kleinen Missgeschicken führen könnte und wir gerade am Bahnhof und in der Einkaufspassage mit einer größeren Hundegruppe nicht unangenehm auffallen sollten.

Ich meine, es ist dann zwischen „Saturn“ und „New Yorker“ gewesen, als das Aas sich gemütlich hinsetzte, den glänzenden Boden in Mamoroptik in sein ganz persönliches Hundeparadies verwandelte und seinen gesamten Darminhalt auf einmal entleerte. Während meine Kursteilnehmer beschämt zum Ausgang eilten, sammelte ich in aller Ruhe alle Hinterlassenschaften ein und wischte im Anschluss sogar noch den edlen Mamoroptikboden mit den von mir mitgeführten Feuchttüchern. Ich war dann sogar ein bisschen stolz, dass der von mir gewischte Teil des Bodens viel mehr glänzte, als die übrige Passage und erklärte aufgebrachten Passanten seelenruhig, dass es eben nur auf die richtige Wischtechnik ankomme…

Tja und heute sind es meine Brüder, Freunde oder Vereinskollegen, die beschämt zu Boden schauen, wenn einer der Terrier ungebührliches Verhalten an den Tag legt oder wir an Veranstaltungen ein bisschen Hinzschen Wahnsinn zum besten geben. Nur mein Vater hält dann zu mir und wir unterhalten die Leute gemeinsam mit Lach- und Sachgeschichten rund um Hinz und Hundz.

Wie peinlich!

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